Arabische Medizin
Die Medizin des arabisch-islamischen Mittelalters war der im Abendland geübten zeitgenössischen Heilkunst um mehr als ein Jahrtausend voraus. Aufbauend auf dem umfangreichen medizinischen Wissen der Inder, Perser, Griechen, des alten Orients und ägyptischen Heilwissens entwickelten die Araber in der kulturellen und wissenschaftlichen Blütezeit der islamischen Hochkultur von 700-1300 n.Chr. fundierte medizinische Kenntnisse, die seinerzeit beispiellos blieben. Sie machten in fast allen medizinischen Disziplinen erstaunliche Erfindungen und bereicherten und verfeinerten das medizinische Erbe der Antike in bemerkenswerte Weise. Namhafte Krankenhäuser, Universitäten und Bibliotheken mit hunderttausenden von Bänden entstanden mehr als ein halbes Jahrtausend früher als im abendländischen Europa.
Während die islamische Welt die Hände nach den Sternen des Wissens ausstreckte und sich dem Licht der Erkenntnis zuwandte, verharrte das christliche Abendland in Finsternis. Durch die konstante Hetze katholischer Machthaber gegen jede Form von Erkenntnis, Forschung, Wissenschaft und Medizin fiel das Abendland in einen tausendjährigen Schlaf.
Drei Traditionen der orientalischen Medizin
Die Medizin im Islam beruht heute auf drei großen Traditionen:
- Der traditionellen Volksmedizin oder auch Beduinenmedizin
- Der Prophetenmedizin, also der medizinischen Erkenntnisse, wie sie vom Propheten Mohammed vermittelt wurden
- Der Arabischen Medizin und Naturheilkunde, wie sie aus dem antiken Griechenland übernommen und mit höchster Akribie weiterentwickelt wurde
Die Beduinenmedizin - die Heilkunde der Wüstendoktoren (Hakims)
In einer sandigen, steinigen und kargen Landschaft standen die Menschen zu allen Zeiten besonderen Herausforderungen gegenüber. Aus dem wenigen, was ihnen zur Verfügung stand, filterten sie das für sie im Krankheitsfall Nutzbringende heraus. So wurden Wunden mit einer Paste aus ausgedrückten Datteln, vermischt mit Kamelmilch, behandelt. Hautentzündungen wurden mit Kamelmilch oder Kamelurin eingerieben. Tees aus Olivenblättern halfen bei fieberhaften Erkrankungen. Bei rheumatischen Schmerzen wurde der Kranke in den heißen Wüstensand eingegraben oder heiße Steine wurden auf die betroffenen Gelenke gelegt. Besonders ausgeprägt war unter den Beduinen jedoch der Glaube an Magie und Zauber. So waren Heilungsrituale, Schutzamulette und Hennazeichnungen auf dem Körper wichtigster Bestandteil der frühen arabischen Wüstenheilkunde.
Prophetenmedizin - das Heilwissen Mohameds
Im islamischen Glauben gilt der Körper als „Leihgabe" Gottes, die gesund zu erhalten Pflicht eines Moslems ist. Die Medizin ist im Islam daher die wichtigste aller Künste. „Für jede Krankheit gibt es eine Medizin", sagt ein „Hadith" aus der Sammlung der Aussprüche und Erzählungen aus dem Leben des Propheten Mohammed. Und er betont, dass Menschen sich nicht mit ihren Schmerzen abfinden dürfen. Allah biete immer einen Ausweg, aber die Menschen müssten danach forschen. „Fordert Wissen, auch wenn ihr dafür bis nach China müsst", so heißt es in den Schriften des Islam.
Angetrieben und motiviert durch die Weisheiten Mohammeds (Koran) suchten die Menschen nach allen Möglichkeiten, Gesundheit und Lebenskraft zu optimieren. Der Koran diente ihnen dabei als Richtschnur für ein leichteres und gesünderes Leben.
Nur ein sauberer und rundum gereinigter Mensch kann die Erwartungen des Propheten erfüllen. Allah hat dem Menschen alle Fähigkeiten gegeben, um sich selbst zu heilen:
- Hygiene, Mundhygiene, Beschneidungen, Fasten, Ernährung ohne Gift und Schweinefleisch, kein Alkohol
- Haditen, Fatwas und Muftis
- Bittgebete z.B. bei Zahnschmerzen:,,lm Namen Allahs, der die Schmerzen lindert, und es gibt keine Macht, die stärker ist als Allah."
- Kein Zwang im Glauben - attraktiv vorleben statt missionieren
- Alle Weisheit kommt von Allah - Wissenschaft dient der Ehre Gottes - Weisheit zu erlangen ist religiöse Pflicht, Gesundheit aktiv zu erhalten, ist eines jeden Gläubigen Pflicht.
"Love itself is the healing power and the remedy for all pain."Hazrat Inayat Khan/SufismusArabische Naturheilkunde - Medizin aus 1001 Nacht
In der arabischen Medizin fanden überlieferte bewährte Heilverfahren aus der antiken und babylonischen Medizin intensive Anwendung. Ein wichtiger Aspekt täglichen ärztlichen Tuns waren ausleitende Heilverfahren wie Schröpfen, Aderlass, Darmspülung und Brenneisentherapie.
Diese Verfahren wurden bei fast allen Krankheiten angewendet, um „üble Säfte" effektiv zu eliminieren.
Von größter Bedeutung jedoch war das Heilwissen um die örtlichen Pflanzen. Die Heilpflanzen wurden als Teekräuter, Gewürze, Öle, Düfte, Bäder und als Räucherwaren verwendet. Dabei ging es nicht nur darum, Krankheiten zu behandeln, sondern auch darum, das körperliche und emotionale Wohlbefinen zu steigern. Auch die Anwendung von „Liebestränken" (z.B. mit Feigen, Datteln, Bärenklau, Bohnenkraut oder Majoran) oder Aphrodisiaka in Form von Ölen, Düften und Räucherwerken standen ganz hoch im Kurs.
Folgende Heilpflanzen galten als besonders heilsam und wurden bei allen wichtigen Krankheiten eingesetzt:
Aloe, Alraune, Bilsenkraut, Blauwarte, Bockshornklee, Brennnessel, Feige, Fenchel, Giersch Golddistel, Granatapfelbaum, Honig, Kaktus, Kamala, Koriander, Kreuzkümmel, Kürbis, Muskat, Myrrhe, Pfeffer, Pfefferminze, Rhabarber, Rizinus, Rossminze, Safran, Sandelholz, Schwarzer Senf, Schwarzkümmel, Sellerie, Sennes, Tausendgüldenkraut, Wacholder, Weihrauchbaum, Weinrebe, Wermut, Ysop, Zimt, Zwiebeln.
Auch elementare Heilmittel wie Musik und Tanz, aber auch die Arbeit mit Farben und Heilsteinen fanden konkrete Anwendung.
Gewürze als Medizin
Gewürzpflanzen haben in der arabischen Heilkunde wegen ihrer außergewöhnlichen Wirksamkeit eine lange Tradition. Zurecht, wie moderne Studien bestätigen. Die Inhaltsstoffe von Gewürzen wirken entzündungshemmend, keimtötend und vor allem verdauungsfördernd und durchblutungsanregend. So wirkt sich z.B. Paprike günstig auf die Herztätigkeit aus und Pfeffer spielt eine wichtige Rolle in der Therapie Nierenkranker.
Beispiele Gewürzpflanzen:
- Koriander: entzündungshemmend, krampflindernd, antiseptisch
- Lorbeer: stärkt die Verdauung, hilft bei Blähungen, regt den Appetit an
- Petersilie: appetitanregend, fördert den Harnfluss
- Pfeffer: regt die Verdauung an, stärkt den Kreislauf, fördert die Durchblutung
- Rosmarin: verdauungsfördernd, beruhigt die Nerven und den Kreislauf, krampflösend
- Zwiebel: sekretionsanregend, verdauungsfördernd, gut bei Grippe und Durchfall
Orientalische Duftstoffe als Aphrodisiaka
Die Welt der orientalischen Düfte ist so bunt wie die Welt der Farben. Düfte regen an und auf, locken das andere Geschlecht, machen aktiv oder wirken beruhigend und vor allem aber dienen sie dazu, Wohlgefühl auszulösen und das innere Gleichgewicht wieder herzustellen.
Um die Luft im Liebesgemach zu verfeinern wurden vor allem Myrrhe, Weihrauch, Zimt, Muskatnuss, Sandelhoz, Veilchen und Moschus verwendet.
Die wichtigsten Heilpflanzen der arabischen Medizin
Feige
Die Feige kann man frisch oder getrocknet essen. Sie wirkt mild abführend, ist also bei leichter Verstopfung geeignet. Auch gegen Vitaminmangelerscheinungen kann sie helfen. Zudem wirkt sie stärkend. Getrocknet kann man sie Hustenteemischungen beifügen. Der Tee wird dadurch leicht süß und trinkt sich angenehmer.
Wirkungen: antibakteriell, Hustentee, Verstopfung, wurmtreibend, Skorbut, Hämorrhoiden, Leberschwäche, Geschwüre, Hautausschläge, Rekonvaleszenz, Tumore
Granatapfelbaum
Aus Knospen oder Wurzelrinde kann man einen Tee herstellen - mit kochendem Wasser übergießen und 10 min ziehen lassen.
Wirkungen: Herzbeschwerden, Kopfschmerzen, Magenkrämpfe, menstruationsfördernd, Rheuma, Verdauungsschwäche, Würmer, antibakteriell, antiviral, entzündete Wunden, zusammenziehend, Durchfall, Gicht
Olive
Die Frucht des mediterranen Olivenbaums ist voll mit wertvollem Pflanzenöl und würzigen, bitteren Stoffen. Das Olivenöl ist nicht nur ein sehr gesundheitsförderndes Öl in der Küche, sondern stellt auch ein besonders heilsames Öl zur Behandlung der Haut bei z.B. Neurodermitis dar. Die Olivenfrucht in der Küche stärkt die Leber und hilft bei der Verdauung. Aus den Blättern der Olive wird ein hochwirksamer Tee hergestellt:
Wirkungen: Hauterkrankungen, Ekzeme, Neurodermitis, leberstärkend, Verstopfung, Gallensteine, hoher Blutdruck, Infektionskrankheiten, Immunstärkung, Verbesserung der Durchblutung, Arthritis
Schwarzkümmel
Der Schwarzkümmel ist Allheilmittel und eine alte Kulturpflanze, die ihren Ursprung in Ägypten und Westasien hat. Die kleinen braunschwarzen Samen enthalten viele wertvolle ätherische Öle. Diese Samen werden zu Heilzwecken (Verdauung) und als Gewürz genutzt. Die Samen schmecken scharf und aromatisch. Aus den Samen wird ein hochwertiges und würziges Öl zu Spei
sezwecken kaltgepresst, das gut verdaut werden kann, den Hormonhaushalt und das Immunsystem reguliert.
Wirkungen: Verdauungsanregend, antibakteriell, antimykotisch, antiseptisch, blutdrucksenkend, blutzuckersenkend, entzündungshemmend, galletreibend, harntreibend, menstruationsfördernd, muttermilchsekretionsfördernd, schweißtreibend, verdauungsfördernd, wurmtötend
Häufige Anwendungsbereiche: Afterjucken, Akne, Allergien, Asthma, Blähungen, Bronchitis, Diarrhöe, Durchfall, Ekzeme, Gallenkolik, Gallenschwäche, Gelbsucht, Immunschwäche, Insekten, Keuchhusten, Koliken, Krämpfe, Leberleiden, Lungenerkrankungen, Magenbeschwerden, Magenschmerzen, Neurodermitis, Parasiten, Pilzinfektionen, Hautpilz, Psoriasis vulgaris, Säuremangel, Schuppenflechte, Tumore, Übersäuerung, Verdauungsbeschwerden, Würmer
Weihrauch
Der Harz des Weihrauchs (Boswellia) ist eines der potentesten Heilmittel, wenn es um die Behandlung von Colitis, Rheuma und Krebs geht.
Wirkungen: Verstopfung, beruhigend, desinfizierend, entspannend, entzündungshemmend, euphorisierend
Safran
Safran gehört zu den teuersten Gewürzen der Welt. Das ist aber auch kein Wunder, denn man braucht etwa hundert Blüten, um ein einziges Gramm des kostbaren Gewürzes zu gewinnen. Da ist es nurverständlich, dass dem Safran in der Volksmedizin geradezu wundersame Kräfte zugesprochen werden. Er gilt als stark aphrodisierend. Der Safran hat aber auch echte medizinische Wirkungen. So wirkt er gegen Krämpfe aller Art und leicht schmerzstillend.
Wirkungen: blutstillend, menstruationsfördernd, nervenstärkend, Darmkolik, Gelbsucht, Keuchhusten, Krampfhusten, Krämpfe, Magenkolik, Schlaflosigkeit, Schmerzen, Zahnungsschmerzen.
Autor: Dr.Ingfried Hobert; Ethnomed Akademie, D-31515 SteinhudeJournal für die Apotheke 1-2015