Die Medizin der Hildegard von Bingen
Zu den Hildegardschen Heilpflanzen gehören beipielsweise Galgant, Bertram oder Quendel. Doch wer war diese Frau eigentlich, welches Denkmodell steht hinter ihren Thesen?
Hildegard von Bingen wurde im Jahr 1098 als zehntes Kind einer adeligen Familie in Bermersheim (Rheinhessen) geboren. Sie war häufig krank und hatte schon als Kind Visionen -- wobei man heute annimmt, dass es sich dabei um starke Migräneaufälle mit Aura gehan-delt hat. Daher wurde sie bereits im Alter von acht Jahren in das Benediktinerkloster Disibodenberg gebracht. Neben Beten und Handarbeiten erlernte sie dort unter Anleitung von Jutta von Spanheim auch Lesen und Schreiben, Diese Fähigkeit machte sie sich später zunutze, um all ihr Wissen und ihre Visionen niederzuschreiben. Das wichtigste religiöse Werk stellt das „Liber Scivias Domini" (Wisse die Wege des Herrn) dar. Ihre heilkundlichen Bücher, welche in den 1970er-Jahren von dem österreichischen Allgemeinarzt Dr. Gottfried Hertzka wiederentdeckt wurden, sind „ Physica" (Heilkräfte der Natur) und „Causae et curae" (Ursachen und Behandlung von Krankheiten). 1147 gründete Hildegard auf dem Ruppertsberg schließlich ihr eigenes Kloster, wo sie im Alter von 81 Jahren verstarb. Ihre Heiligsprechung folgte im 16. Jahrhundert.
Ganzheitliches Weltbild
Die Hildegard-Medizin versteht sich als eine Ganzheitsmedizin, die das ZusammenspieI des Körperlichen, des Seelischen, des Kosmischen und nicht zuletzt des Religiösen berücksichtigt. Hildegard betrachtete den Einzelnen als Teil eines großen Ganzen: Mikrokosmos im Makrokosmos. „Solange sich der Mensch mit Gott und seiner Umwelt im Einklang befindet, bleibt er gesund. Krankheit entsteht, wenn dieses Gleichgewicht gestört wird."
Neben einem Leben im Einklang mit Gott sieht die Lehre Hildegards auch bestimmte Verhaltensregeln zur Gesunderhaltung vor. Dazu gehören beispielsweise ein ausgeglichener Lebensstil mit genügend Schlaf und Erholungszeit, maßvolle und gesunde Ernährung sowie ausreichend Bewegung. Hildegard war aber damals schon bewusst, dass an der Entstehung von Krankheiten in der Regel mehrere ungünstige und krank machende Faktoren beteiligt sind. Den körperlichen Bereich betreffend, zog sie die damals gelehrte Vier-Säfte-Theorie heran. Diese vier Säfte - gelbe Galle, Blut, Schleim und schwarze Galle -, welche in enger Beziehung zu den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde stehen, können durch Ernährungsfehler oder „Krankheitsstifte" in ein Ungleichgewicht geraten und zu einer Erkrankung führen.
Gleichermaßen geht aus ihren Schriften, besonders dem „Liber vitae meritorum", dem Buch der Lebensverdienste, hervor, dass auch ein seelisches Ungleichgewicht Krankheiten verursachen kann, Ungelöste Konflikte, Dauerstress und Frustration waren offensichtlich schon damals als Krankheitsauslöser bekannt.
Viel, viel Dinkel - kleine Ernährungslehre
In Hildegards Ernährungsempfehlungen taucht eine Getreidesorte immer wieder auf: der Dinkel. Hildegard schrieb Dinkel eine besonders gesundmachende Wirkung zu: „Wer Dinkel isst, bildet gutes Fleisch und rechtes Blut." Heute weiß man, dass Dinkel neben zahlreichen Ballast- und Faserstoffen hochwertige Eiweiße, Mineralstoffe und Spurenelemente enthält. Außerdem zeigten neuere Untersuchungen, dass das Getreide zudem Thiocyanat enthält. Dem Salz der Thiocyansäure wird eine antiinfektiöse, antiinflarnmatorische und antimutagene Wirkung zugesprochen. Weitere bevorzugte Zutaten der Hildegard-Küche stellen z. B. Edelkastanien, Fenchel, Bohnen, Kichererbsen, Rote Bete, Sellerie, Äpfel, Himbeeren, Quitten, Honig oder Wein dar. Jedoch war sich Hildegard auch bewusst, dass es neben den gesundmachenden Lebensmitteln durchaus auch solche gibt, die krankmachende Eigenschaften besitzen. Hieraus resultiert auch eine Liste an sogenannten „Küchengiften". Dazu zählen beispielsweise Erdbeeren, Pflaumen, Pfirsiche, Lauch oder Schweinefleisch. Zudem empfahl Hildegard, ähnlich den ayurvedischen oder chinesischen Ernährungsempfehlungen, bis auf wenige Ausnahmen sämtliche Lebensmittel vor dem Verzehr zu kochen, da sie dann leichter verdaulich sind.
Hildegard Heilpflanzengarten
Die von Hildegard verwendeten Kräuter und Gewürze stammten vornehmlich aus dem Klostergarten. Dort wurden damals hauptsächlich mediterrane Gewürze angebaut. Im Laufe der Jahre ging sie jedoch dazu über, auch heimische Pflanzen in ihre Therapie mit: einzubeziehen. Das Wissen darüber erlangte sie teils durch den Austausch mit den einheimischen Nachbarn des Klosters, teils durch ihre Visionen. Durch den Einfluss von Handelsreisenden finden sich aber auch einige teils exotische Gewürze aus Südostasien in Hildegards Kräuterschatz. In ihren Werken beschreibt Hildegard über 100 Heilpflanzen.
Heilpflanzen in der Hildegard-Medizin
- Beifuß: Magenbeschwerden, Hämorrhoiden, Krampfadern
- Bertram: Verdauungsstörungen, perniziöse Anämie
- Galgant: Menstruationsbeschwerden, Kopfschmerzen, Durchblutungsstörungen, Magenkrämpfe
- Gundelrebe: Kraftlosigkeit
- Muskatnuss: Entgiftung, Konzentrationsschwäche, Blutgerinnungshemmung, Entzündungen, Nervenstärkung
- Muskatellersalbei: Appetitanregung, Gastritis
- Meisterwurz: Fieber
Rezepturen nach Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen verfasste zu Lebzeiten allerlei Rezepturen zur Heilung und Gesunderhaltung - unter anderem gegen Menstruationsbeschwerden, grippale Infekte, Kopfschmerzen oder gegen Magen-Darm-Beschwerden.
Menstruationsbeschwerden
Grippaler Infekt
Kopfschmerzen
Magen-Darm-Beschwerden