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Was ist Phytotherapie?

Die Phytotherapie oder Pflanzenheilkunde ist eines der ältesten Therapieverfahren. Sie gehört zu den volksheilkundlichen Behandlungsmaßnahmen, die sich hauptsächlich auf überlieferte Erfahrungen stützen. Sie ist auf allen Kontinenten und in allen Kulturen beheimatet. Immer mehr Menschen vertrauten in den letzten Jahren wieder auf die Heilkräfte von Pflanzen und Kräutern. Die Patienten möchten eine milde und sanfte Medizin durch ihre Ärzte verordnet bekommen. Sie soll aber auch erfolgreich helfen und die erwünschten und notwendigen Effekte erzielen.

Grundlagen

Der Begriff stammt aus dem griechi­schen Phyton = Pflanze und therapeia = Pflege. Der französische Arzt Henri Le­clerc (1870-1955) hat ihn zum ersten Mal verwendet. Grundlage der Phyto­therapie ist die Heilpflanzenkunde, die Phytopharmakognosie. Sie ist die Lehre von den für medizinische Zwecke ver­wendeten oder verwendbaren Pflanzen, also den Heilpflanzen. Ihr Arbeitsgebiet umfasst die Systematisierung und Ana­lyse dieser Pflanzen und deren Inhalts­stoffe, also die chemische Zusammen­setzung. Aber auch die Untersuchungen bisher nicht erforschter Heilpflanzen ge­hören zu ihrer wissenschaftlichen Er­forschung. Die Phytotherapie enthält dadurch auch Teile der Pharmakologie, der Pharmazeutik sowie der Toxikolo­gie. Somit kann die Pflanzenheilkunde dem Überbegriff der pharmazeutischen Biologie zugeordnet werden. Ihr Ziel ist es, Heilpflanzen und ihre Inhaltsstoffe hinsichtlich ihrer therapeutischen Wirkungen zu untersuchen und heilwirk­same Ergebnisse zu dokumentieren. 

Weltweit werden bisher mehr als 20.000 Pflanzenarten zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet. Blätter, Blüten, die ganze oberirdische Pflanze, Hölzer, Hülsen, Früchte, Knospen, Rin­den, Samen, Stängel, Wurzeln, Wur­zelstücke, Zweigspitzen und Zwiebeln werden zu therapeutischen Mitteln. Es kommen keine isolierten Einzelstoffe zur Anwendung. Es ist stets eine Kom­bination der verschiedensten Stoffteile einer Pflanze, die immer als Stoffge­misch im menschlichen Körper wir­ken. Die moderne Pflanzenheilkunde folgt den Grundsätzen der naturwissen-­schaftlich begründeten Medizin, indem sie von einer Dosis-Wirkungs-Bezie­hung ausgeht. 

Die Inhaltsstoffe einer Heilpflanze unterliegen natürlichen Schwankungen, bedingt durch Klima, Standort und Erntezeitpunkt der Pflanze. Auch durch Lagerung und Herstellungsprozess kön­nen die Zubereitungen aus Heilpflanzen in ihrem Gehalt an Inhaltsstoffen beein­flusst werden. Daher sind die Standar­disierungen der Ausgangsstoffe und die Methoden für die Arzneimittelherstel­lung sehr wichtig. Es sollen alle Phyto­pharmaka definierte Mengen von Wirk­stoffen und gleichbleibende Qualität und Wirksamkeit aufweisen. 

Um eine Zulassung als pflanzliches Arzneimittel mit allen Qualitätskrite­rien zu erlangen, wurde bereits im Frühjahr 1978 die Kommission E als Zulas­sungskommission für pflanzliche Arz­neimittel gegründet. Mitglieder dieser Kommission sind Experten mit beson­deren Kenntnissen aus dem Bereich der Phytotherapie, darunter Wissenschaftler für Toxikologie, experimentelle Phar­makologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzte und Heilpraktiker. Bis 1994 bestand die Aufgabe der Kom­mission E darin, wissenschaftliches und erfahrungsheilkundliches Material zu erwünschten und unerwünschten Wir­kungen pflanzlicher Drogen zusam­menzufragen, auszuarbeiten und zu be­werten. Daraus entstanden die bis heute gültigen Monographien, die als Grund­lage für die Neuzulassung pflanzlicher Arzneimittel gelten. Die Kommission E ist ein wissenschaftliches Gremium un­abhängiger Experten, das für die Thera­pierichtung Phytotherapie für das Bun­desinstitut für Arzneimittel und Medi­zinprodukte (BfArM) beratend tätig ist.

Wirkungen

Die Phytotherapie ist eine individu­elle Therapie, die sich die verschiedenen Wirkprinzipien von Pflanzen zunutze macht. Die wichtigsten Wirkungen von Heilpflanzen sind der Ersatz von feh­lenden Stoffen, die Steigerung verschie­dener Funktionen und antibakterielle und antivirale Einflüsse. In der Regel nicht angebracht sind Phytotherapeu­tika aber in der Akut- und Notfallmedi­zin sowie bei schweren Erkrankungen, es sei denn zur weiteren Unterstützung einer chemisch definierten medikamen­tösen Therapie.

Man unterteilt die Pflanzen in drei Arten je nach ihrer Wirksamkeit: Mite-Pflanzen wirken mild; Forte-Pflanzen haben starke Wirkungen. Dazwischen liegen Kräuter und Gewächse, die in großer Zahl durch ausgeglichene In­haltsstoffe wirksam sind. Die Therapie mit Heilpflanzen in Form von Frisch­pflanzen, Volldrogen oder isolierten Reinsubstanzen kommt für alle Gebiete der Heilkunde infrage. Eine Volksweis­heit sagt: „Gegen jedes Leiden ist ein Kräutlein gewachsen!"

Pflanzliche Medikamente zeichnen sich vor allem durch ihre meist gute Verträglichkeit aus. Ihre Wirkung setzt meist nicht sofort ein. Man muss zu­warten. Erst, wenn nach mehrtägiger Einnahme eine ausreichende Höhe an Wirkstoffen im Körper angesammelt ist, kommt es zu den gewünschten Reakti­onen. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Dieses Verhalten ist dem Patienten vom Arzt ausführlich zu erklären, denn ein leidender Mensch möchte möglichst schnell von seinen Beschwerden befreit werden. Das aber ist meist mit den oft sofort wirkenden Medikamenten, die synthetisch herge­stellt werden, möglich.

Naturmedizin wirkt auf lange Sicht, wenn der optimale Eintritt der Wirkung erfolgt ist. Gut Ding hat eben Weile! Oft muss ein Patient bis zu drei Wo­chen abwarten, bis er deutliche Linde­rung verspürt. Dabei ist es wichtig, dass die notwendige Dosierung eingehalten wird. Jede Pflanzensubstanz muss in der Menge als Einzeldosis oder gleichmä­ßig über den Tag verteilt eingenommen werden, um eine entsprechende Reak­tion im Körper auszulösen. Das kann individuell recht unterschiedlich sein, sodass eine Steigerung oder Verminde­rung der Dosis nach einer gewissen Zeit vorgenommen werden muss. Da diese Medikamente die Selbstheilungskräfte des Menschen unterstützen, kann eine ausreichende Dosierung über längere Zeit erforderlich sein, um zu einer dau­erhaften Gesundung beizutragen.

Die häufigste Anwendung der Heil­pflanzen ist die Teerezeptur. Sie ist die einfachste Art, Heilmittel zuzubereiten. Die getrockneten Kräuter - man kann einige auch in frischer Form verwenden - werden mit siedendem Wasser über­gossen und einige Zeit ziehen gelassen. Pro Tasse wird in der Regel ein gehäuf­ter Teelöffel der entsprechenden Droge oder eines Gemisches für eine Tasse ge­rechnet. Es gibt auch fertig abgepackte Teebeutel, die die notwendige Menge beinhalten. Hierbei werden die wasser­löslichen Stoffe freigesetzt. Kräutertees sind bei akuten und chronischen Be­schwerden hilfreich. Sie können mehr­mals am Tage getrunken werden - mög­lichst schluckweise und langsam.

Teezubereitungen bieten aus natur­heilkundlicher Sicht mehrere Vorteile gegenüber einem pflanzlichen Präparat in Tabletten- oder Kapselform. Der Pa­tient nimmt die Herstellung seines Heil­mittels in die eigene Hand. Er handelt in einem wichtigen Ritual aktiv und selbst­ständig. Selbst das Trinken eines Tees ist ein Genuss, der den Prozess der Hei­lung sogar positiv beeinflussen kann. Ein Nachteil ist allerdings die jeweilige Dosierung. Sie ist sehr ungenau und von vielen Faktoren abhängig. Es gibt dabei keine Standardisierung.

Bestimmte Kräuter enthalten Bitter­stoffe, die über nervale Reize auf das psychovegetative Nervensystem wir­ken. Schleimstoffe schützen und hei­len entzündlich veränderte Schleim­häute, erleichtern den Stofftransport, wirken als Puffersubstanzen im Magen. Mineral- und Vitalstoffe gleichen Man­gelzustände aus und verbessern somit die Vitalität. Das Keimwachstum hem­mende Stoffe haben Einfluss auf Infekti­onen und Besiedelungen mit Bakterien oder Viren.

Bei der Anwendung von Frischpflan­zen sind die in ihnen enthaltenden Stoffe in vollem Umfang garantiert. Man berei­tet sie auf verschiedene Art und Weise zu. So kann man den Saft aus ihnen oder ihren Früchten auspressen, ausgeschie­dene Sekrete verwenden, Pflanzenteile destillieren oder ölige Auszüge herstel­len. Blüten oder Früchte werden in Öl, z. B. Oliven- oder Mandelöl, eingelegt, um die in ihnen enthaltenden Stoffe in das Öl „herüberzuziehen".

Häufiger jedoch werden Heilpflan­zen als Drogen oder Extrakte verwendet. Drogen werden durch Trocknung von ganzen Pflanzen oder Pflanzenteilen wie Blüten, Blätter, Wurzeln oder Samen hergestellt. Aber auch Öle, Harze und Wachse, die keine Zellstruktur mehr aufweisen, gehören dazu. Extrakte ent­stehen dadurch, dass den getrockneten Pflanzen spezielle Extraktionsmittel zu­gesetzt werden. In Alkohol oder auch Wasser lösen sich die Inhaltsstoffe. Sie werden dann durch spezielle Verfah­ren, z. B. Verdampfen des Extraktions­mittels, konzentriert. Die so entstande­nen Trocken- oder Spezialextrakte kön­nen dann weiterverarbeitet werden. So werden Kapseln, Säfte oder Dragees her­gestellt, die eine standardisierte Menge an entsprechender Substanz enthalten.

Auch Zusätze für Bäder, Einreibun­gen, Duftlampen oder Massageöle sind sehr häufig Bestandteile von Pflanzen. Sie entfalten ihre Wirkungen durch ihre spezielle Anwendungsform. Haut, Schleimhäute, Rezeptoren und Ner­venendigungen werden dabei meist an­gesprochen. Auch hierbei entsteht eine komplexe Wirkung.

Insgesamt gesehen ist die Pflanzen­heilkunde bei vielen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen in ihrer heuti­gen Kombination einzusetzen. Die klas­sische Erfahrungsheilkunde und die Er­gebnisse der modernen Forschung über Heilpflanzen sind einmütig zusammen­gefügt. Diese Heilweise kann als oft aus­reichend wirksame und zumeist gut verträgliche Alternative zu chemisch- synthetischen Arzneimitteln eingesetzt werden. Sie erfreut sich hoher Anerken­nung und Wertschätzung durch die Pa­tienten und Ärzte.

Nebenwirkungen

Auch für pflanzliche Arznei gilt: "Was wirkt, hat auch Nebenwirkungen!" Phy­totherapeutika haben nur bei richtiger Anwendung ihren Nutzen. Nur dann gel­ten sie als unbedenklich. Sie sind durch­aus eine „sanfte" Medizin. Zwar sind akute Nebenwirkungen selten, sie kön­nen allerdings bei zu hoher Dosierung und zu langer Einnahme auch bei dem einen oder anderen Patienten vorhanden sein. Einige Pflanzen lösen sogar Aller­gien aus. Hautausschläge sind dann ty­pisch. Darauf ist von Patienten, die be­reits allergische Empfindlichkeiten auf­weisen, zu achten.

Stark wirkende Heilpflanzen wie Fin­gerhut (Digitalis), Tollkirsche (Atropin) oder Schlafmohn (Morphin), die medi­zinisch recht häufig eingesetzt werden, haben bei bereits mäßiger Überdosie­rung erhebliche Nebenwirkungen und Toxizität. Deshalb gehören diese Medi­kamente stets in die Hand eines erfah­renen Arztes. Sie kommen in der klassi­schen Phytotherapie nach Kneipp nicht zur Anwendung.

Ein Mittel muss abgesetzt werden, wenn Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder auffällige Haut- oder Schleimhaut­reaktionen auf die Einnahme des Pflan­zenmittels zurückgeführt werden kön­nen. Besondere Vorsicht ist bei Säuglin­gen, Kleinkindern, Schwangeren, sehr alten Menschen und psychisch Schwer­kranken geboten.

In den letzten Jahren stößt die Ver­wendung von pflanzlichen Medikamenten auf ein immer größeres Interesse. Die Verwendung von Heilpflanzen ist heute moderner denn je. Viele Erfahrungen mit diesen Arzneimitteln und der Er­werb von Wissen über Wirkungen, In­dikationen und Effekten von Naturme­dizin führen immer mehr praktizierende Ärzte zur Anwendung der Phytothera­pie. Zum einen fordern die Patienten di­rekt vom Arzt diese Mittel für ihre indivi­duelle Therapie, zum anderen empfehlen die Ärzte ihren Patienten diese Medizin. So darf die Therapie mit Pflanzenextrak­ten heute durchaus als Teil der klassi­schen Schulmedizin angesehen werden.

Die Pflanzenheilkunde kann thera­peutische Lücken schließen und Hei­lung oder auch Linderung chronischer oder akuter Leiden verlässlich und nach den Regeln der medizinischen Heilkunde unterstützen. Damit ist die Phytothera­pie längst mehr als die Anwendung von bewährten und seit Generationen ver­erbten alten Hausmitteln. Wissenschaft­liche Untersuchungen und auch ärztli­che Erfahrungen seit Jahrzehnten haben gezeigt, dass die Wirkung der Gesamt­pflanze in vielen Fällen größer ist als die Wirkung der pharmakologisch-che­misch isolierten Reinsubstanzen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind zahl­reiche Erkrankungen von Magen, Leber, Gallenblase, Atemwege, Kinder- und Al­terskrankheiten oder auch Herz-Kreis­lauf-Erkrankungen. Aber auch psychi­sche Erkrankungen sind ein dankbares Behandlungsgebiet.

 

Autor: Dr.med. Lutz Koch
Praxis Magazin 3/2015